Anne Heß ...
... die früher als Lehrerin für Französisch und Musik tätig war, ist daneben auch eine leidenschaftliche Jazzerin.
Nach der Pensionierung 1993 gründete sie ihre
erste Band, "Standard Oil“, so der Bandname. Es folgten weitere Bands, "Jazz in Time“, "Ménage à trois“ und
zuletzt "Tune up“.
Anne Heß hat Jazz erst im "vorgerückten Alter“
entdeckt, wie sie erzählt. Familiär sei sie eher
klassisch geprägt: "Jazz kam bei uns zu Hause
gar nicht in die Tüte“. Als sie etwa 50 Jahre
alt war, habe sie begriffen, dass es sich lohne,
sich mit dieser Musikrichtung auseinanderzusetzen. Sie begann deshalb Jazzstudien an der
Frankfurter Musikwerkstatt und danach bei
Jürgen Wuchner und Christopher Dell und belegte
Kurse in der Jazzhochburg Burghausen
nahe Salzburg. An der Bertolt-Brecht-Schule,
wo sie als Lehrerin unterrichtete, richtete sie
eine Jazzband ein, die sie mehrere Jahre leitete.
Sie ist aktiv an der Akademie für Tonkunst,
wo sie seit drei Jahren zu einer Workshop-Band
mit Wuchner gehört. Außerdem begleitet sie
seit zwei Jahren den Erwachsenen-Chor von
Claudia Nicolai, zu dessen Repertoire Titel aus
der Geschichte der Pop-Musik, Gospels und
Folklore zählen. In diesem Jahr kam noch der
Nachwuchschor hinzu. Wenn Anne Heß, die
auf ihr achtzigstes Lebensjahr zugeht, dann
noch Zeit hat, tritt sie bei Feiern und Festen im
Duo mit dem Bassisten Brenner auf. Bereite es
ihr doch Vergnügen, "durch Musik eine schöne
Atmosphäre zu schaffen“.
Die Musik, die Anne Heß spielt, bezeichnet
sie als „Mainstream“. Besonders mag sie Titel von Duke Ellington, Miles Davies, John
Coltrane, Ron Carter, Horace Silver oder Herbie
Hancock, also Musik ab der Swing-Ära,
die Kenner als Bebop, Hard-Bop, Bossa oder
Modalen Jazz bezeichnen. Dabei ist sie musikalisch
auch zu Experimenten bereit. Vor einigen
Jahren hat sie beispielsweise an dem Projekt "Lyrik & Jazz“ mitgewirkt. Der Austausch
zwischen Klang und Sprache war für sie auch
persönlich ein besonderes Ereignis, da die Gedichte,
die sie - zum Beispiel im Kranichsteiner
Jagdschloss - mit Jazzsongs verband, von dem
Lyriker Fritz Deppert stammten und vorgetragen
wurden, der früher als Schulleiter ihr Kollege
an der Brecht-Schule war.
"Jazz“, das ist Anne Heß’ Erfahrung und Überzeugung
nach vielen Jahren musikalischer Praxis, "ist genauso wertvoll und anspruchsvoll
wie die Klassik“. Und Jazzmusik hält anscheinend
außerdem noch jung. Jedenfalls hat sie
in den vergangenen zwei Jahrzehnten niemanden
in ihrem Alter mit der gleichen Begeisterung
finden können. "Die in meinem Alter Jazz
machen, sind fast alle Profis. In meinen Bands spiele ich deshalb immer mit jüngeren Musikern“. (Rainer Hein)
Die Band Tune-Up besteht aus:
Anne Heß (Piano)
Rüdiger Schwenk (Alt- und Baritonsaxophon)
Udo Brenner (Bass)
Bülent Ates (Schlagzeug)
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"Lyrik
und Jazz"
Lyrik
und Jazz haben sich immer wieder aufeinander zubewegt. Das Besondere an
dem Projekt mit Fritz Deppert (Texte), Anne Heß (Klavier) und Udo
Brenner (Kontrabass) ist die Auswahl von moderner Jazzmusik und Lyrik:
Zu den Texten von Fritz Deppert erklingen lyrische, nachdenkliche Kompositionen,
u.a. von John Coltrane, Charles Mingus oder Thelonious Monk.
Presseberichte
über "Lyrik und Jazz":
Darmstädter
Echo, 7. Mai 2002:
Ein
Austausch von Klang und Sprache
Lyrik und Jazz: Gedichte von Fritz Deppert mit Musik von Anne Heß
und Udo Brenner vor kleinem Zuschauerkreis in Kranichstein
DARMSTADT. Die Verbindung zwischen dem Darmstädter Lyriker
Fritz Deppert und der Pianistin Anne Heß war ein sprachlicher wie
klanglicher Austausch: Heß band im Kranichsteiner Jagdschloss am
vergangenen Sonntag Depperts Gedichte gezielt in Jazzsongs ein: Monk-,
Mingus-, Golson-, Coltrane-, Hancock- und Ellington-Kompositionen. Deren
atmosphärischen Inhalte spiegelten sich wiederum in der Lyrik wider,
passten sich dem Rhythmus der Songs an und fanden einen Gleichklang, wenn
ihnen ein Reim unterlegt war.
Die Gedichte wirkten verhalten, behutsam, betont, sinnierend,
dann bloß skizzenhaft, selten ausschweifend; sie passten sich dem
akustischen wie dem elektrischen Klavier von Anne Heß und dem swingenden
Bass Udo Brenners an. Dann wieder trug Deppert seine Gedichte ohne Klavierbegleitung
vor, schöpfte aus einem großen Reservoir sprachlicher Bilder,
klammerte auch das Gedicht „Jazzregen“ nicht aus, das er vor
zehn Jahren geschrieben hatte.
Der idyllische Rondellsaal im Jagdschloss diente als idealer
Rahmen für Depperts Lyrik und Heß’schen Jazz. Der Zuhörerkreis
war zwar klein, brachte aber der Veranstaltung viel Aufmerksamkeit und
Interesse entgegen.
Kenneth Rexroth Kombination hatte vor 45 Jahren in San Francisco
die Idee einer Kombination von Lyrik und Jazz. Die Beat-Generation trug
sie dann weiter, von Lawrence Ferlinghetti, Kenneth Patchen (mit Allyn
Fergusons Chamber Jazz Sextett), Allan Ginsberg, Jack Kerouac (mit den
Saxophonisten Al Cohn und Zoot Sims), Ken Nordine (mit der Musik des Cellisten
Fred Katz) sowie Langston Hughes (mit der Musik des Jazzbassisten Charles
Mingus). Vor 20 Jahren produzierte Joachim Ernst Berendt mit Gerd Westphal
und dem Polski Jazz Ensemble in dieser Tradition den „Walzer vom
Weltenende“, eine der ersten Initiativen des späteren Darmstädter
Jazz-Instituts. (goe)
[Website
der Quelle: http://www.echo-online.de]
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Weitere Presseberichte
über Anne Heß:
Darmstädter
Echo, 7. Februar 2006:
Mit 73 Jahren hat sie eine Band gegründet.
Klaviermusik: Lehrerin Anne Heß entdeckte erst im Alter ihre Leidenschaft
für Modern Jazz und ließ sich von der Pike auf ausbilden
Wenn Sechzigjährige in Rente gehen, stehen ihnen
noch 20 bis 30 Lebensjahre bevor. Losgelöst von den Zwängen
des Berufs, haben sie auf einmal viel Zeit, sich auf ihre Wünsche
und Stärken zu besinnen. In einer Serie stellen wir Angehörige
der Generation 60 plus vor, die für ihren dritten Lebensabschnitt
neue Aufgaben gesucht, gefunden und festgestellt haben, dass es nie zu
spät ist, dem Leben eine überraschende Wendung zu geben.
Nein,
Dixieland ist nicht ihr Ding. Und mit den freien Improvisationen im Free
Jazz kann Anne Heß (73) auch wenig anfangen. Jazz der fünfziger,
sechziger, siebziger Jahre muss es sein, „weil er von der Harmonik
her interessant ist.“ Jazz also von der rhythmischen Finesse und
der eigenständigen musikalischen Ästhetik eines Miles Davies,
Herbie Hancock, Chick Corea oder Thelonious Monk. Da leuchten ihre Augen.
Anne
Heß, frühere Lehrerin für Musik und Französisch an
der Bert-Brecht-Schule, hat sich ein halbes Leben lang der klassischen
Klaviermusik verschrieben und erst nach ihrem fünfundfünfzigsten
Geburtstag ihre Liebe zum Jazz entdeckt. Der Ruhestand mit 60 war beschlossene
Sache, also hatte sie fünf Jahre Zeit, sich neue Ziele fürs
Rentenalter zu setzen: Und aus der Lehrerin wurde in der Freizeit eine
Jazz-Schülerin. Heute tritt die Dreiundsiebzigjährige mit unterschiedlichen
musikalischen Begleitern in Darmstadt und Umgebung als Jazz-Pianistin
auf. Immer ist sie die älteste Musikerin, nur in der Senioren Swing
Band, für die sie mit großem Vergnügen Volkslieder verjazzt,
liegt sie im Alters-Mittelfeld.
Hoch
konzentriert entlockt Anne Heß ihrem Klavier die Viertelbeats. Swing
liegt in der Luft und Lebensfreude. Diese Leichtigkeit ist hart erarbeitet.
Nie hat sie die Kurse bei Joe Viera in Burghausen nahe München gezählt,
in denen sie Jazz von der Pike auf studierte: Klavier, Gesang, Harmonielehre.
Freitags
hinfahren, sonntags zurück, montags wieder Schule halten –
so sahen ihre Wochenenden aus. Das Saxophon wäre eigentlich ihr Lieblingsinstrument
für den neuen musikalischen Lebensabschnitt gewesen, aber um das
zu erlernen, war sie denn doch zu alt, „dazu fehlt mir der Atem“,
gibt sie offen zu.
Weil
die Wochenenden nicht ausreichten, um die von ihr angestrebte musikalische
Perfektion zu erreichen, besuchte sie zusätzlich die Frankfurter
Musikwerkstatt, ging in Darmstadt in die Band-Schule von Jürgen Wuchner
und Christopher Dell und nahm Unterricht bei verschiedenen Klavierlehrern,
um von jedem ein bisschen mehr und ein bisschen etwas anderes zu lernen.
Dass
sie stets die älteste Schülerin ist, stört ihre Lehrer
nicht. „Sie haben es mich nie merken lassen. Außerdem verbindet
das gemeinsame Musizieren, und darüber vergisst man alles andere.“
Dennoch empfindet es Anne Heß als großes Glück, dass
die Rentnerband Swing Sound Orchestra sie angeworben hat. Seit zwei Jahren
spielt sie nun schon mit fast Gleichaltrigen zusammen. Mit 73 hat sie
eine eigene Band mit Musikern um die 40 gegründet: „Menage
à trois“. Ihr Repertoire besteht aus Stücken, die alle
Bandmitglieder mögen. Mehrfach ist Anne Heß im Gewölbekeller
unter dem Jazzinstitut aufgetreten, hat im Café „Das Blatt“,
der „Ringbar“ und in einem Lokal in Bad König gespielt
und Lyrik-Abende mit Fritz Deppert und Udo Brenner gestaltet. Seitdem
sie ein E-Piano besitzt, übt sie noch fleißiger zu Hause –
mit Kopfhörern, damit die Nachbarn nicht gestört werden. „Die
Tasten sind gewichtet, es fühlt sich an wie ein richtiges Klavier.“
Lange
Zeit habe sie „zu klassisch“ gespielt, kritisiert sie sich,
aber beim Jazz sei der Anschlag ja ganz anders, und der Rhythmus müsse
sehr präzise sein. Der Klassik ist die Jazz-Liebhaberin aber nicht
untreu geworden: „Eher trifft das Gegenteil zu: Wenn ich heute Klassik
höre, geschieht das mit viel wacheren Sinnen.“
Mit
ihrer Band „Menage à trois“ tritt Anne Heß am
15. Juli um 15 Uhr im Rosengarten auf der Rosenhöhe auf. Am 6. August
spielt sie dort – ebenfalls ab 15 Uhr – verjazzte Volkslieder
mit der Swing Sound Seniorenband. Diese Rentnerband feiert am 24. Oktober
ihr zehnjähriges Bestehen mit einem Jubiläumsball in der Orangerie.
( Petra
Neumann-Prystaj)
[Website
der Quelle: http://www.echo-online.de]
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Mathilde, Mai/Juni 2007:
"Den Jazz erst mit 55 Jahren entdeckt" - die Jazzpianistin Anne Heß
In einem Alter, in dem andere vielleicht einen konservativen Musikgeschmack entwickeln, hat die Darmstädter Jazzpianistin erst entdeckt, dass ihr Herz außer für die Klassik auch für den Jazz schlägt.
Als Musik-und Französischlehrerin an der Bertolt-Brecht-Schule hat Anne Heß in den letzten Jahren ihrer Berufstätigkeit beschlossen, sich auf der Basis solider Klavierkenntnisse zur Jazzmusikerin fortzubilden. Hier hat sie unter anderem bei Jürgen Wuchner, der als Jazzdozent in Darmstadt eine feste Größe ist, in verschiedenen Kursen und Workshops das Vokabular des modernen Jazz erlernt. Mittlerweile ist sie als Mittsiebzigerin in derzeit drei Formationen aktiv, so spielt sie im "Swing Sound Orchestra", einer Band, die aussschließlich aus älteren Semestern besteht und sich dem Swing verschrieben hat. Hier werden auch mit Vorliebe bekannte Volkslieder verswingt, was beim Publikum immer großen Anklang findet. Außerdem spielt sie im Trio "Menage a Trois" mit dem Sopransaxofonisten Michael Bossong und dem Kontrabassisten Michael Diestelmann, das neben klassischen Jazzstandards auch folkige Stücke aus den verschiedensten Ecken der Welt zu Gehör bringt. Und schließlich bewegt sie sich mit dem Projekt "Lyrik und Jazz" im Grenzgebiet zweier künstlerischer Genres, in dem sie mit dem Dichter Fritz Deppert und dem Kontrabassisten die Zwiesprache zwischen Sprache und Musik pflegt. (Marion Möhle)
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